Für nicht mit der deutschen Verfassung vereinbar halten die Richter unter anderem die Möglichkeit der Behörden, PIN- und PUK- Nummern genutzter Handys und Internetzugänge von den Telekommunikationsprovidern herausverlangen zu können. Gerügt wird, dass das Telekommunikationsgesetzt zwar regele, wann Zugangscodes herausgegeben werden müssen, sich aber nicht dazu äußert, wie diese dann von den Behörden genutzt werden dürfen. Darin sehen die Richter einen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Auch bei der Verfolgung von Filesharern hatten die Verfassungsrichter Bedenken. In der Vergangenheit wurden in Deutschland tausende Nutzer von so genannten Filesharing-Tauschbörsen durch die Staatsanwaltschaften unter Berufung auf § 113 Abs. 1 S.1 TKG ermittelt und später von der Musik- oder Filmindustrie abgemahnt. Nach der aktuellen Entscheidung soll ein solches Vorgehen noch bis zum 30. Juni 2013 möglich sein. Die Verfassungsrichter machen mit ihrem Urteil deutlich, dass mit der Rückverfolgung einer dynamischen IP-Adresse ein Eingriff in das grundrechtlich geschützte Telekommunikationsgeheimnis stattfindet.

Der Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke kommentiert das Urteil und seine Bedeutung: »Hätte das Bundesverfassungsgericht den Behörden keine Übergangsfrist eingeräumt, dann wären jetzt schwere Zeiten für die Strafverfolgungsbehörden in Deutschland angebrochen. Bislang ist es gängige Praxis, Privatpersonen, die eine Straftat wie etwa eine Urheberrechtsverletzung begangen haben, über die Rückverfolgung der dynamischen IP Adresse zu ermitteln. Ob das rechtens ist, ist unter Juristen schon seit Jahren umstritten. Der Paragraph 113 Absatz 1 des TKG als dafür zuständige Norm ist so schwammig formuliert, dass bislang ein erheblicher Interpretationsspielraum bestand«.

Bis Sommer 2013 muss der Gesetzgeber nun handeln. Zunächst einmal muss der umstrittene Paragraph 113 des Telekommunikationsgesetzes klarer gefasst werden und darüber hinaus muss über eine Fußnote im Gesetz deutlich werden, dass die Norm einen Grundrechtseingriff erlauben soll. Schafft der Gesetzgeber eine solche Umsetzung nicht fristgemäß, können die Behörden nur unter den strengen Vorgaben eines richterlichen Beschlusses dynamische IP-Adressen zurückverfolgen.

Nach Einschätzung des Kölner Juristen ist dem Gesetzgeber ein ganzes Bündel an Hausaufgaben mitgegeben worden. »Angesichts der Bundestagswahl im Jahr 2013 ist kaum zu erwarten, dass die geforderten Änderungen bis dahin tatsächlich umgesetzt worden sind. Ist die Politik zu langsam, werden es Strafverfolgungsbehörden künftig schwer haben, Straftaten im Internet aufzuklären«, warnt der Anwalt.