Mehrfach hatte Microsoft in den letzten Wochen scharf gegen den Gebrauchtsoftwarehändler TYR Holding geschossen, der Händler vertreibe über den gemieteten Webshop softwarebilliger.de Raubkopien von Microsofts Windows-Betriebssystemen. Dass sich TYR-Geschäftsführer Elmar Ewaldt auf crn.de gegen diese Vorwürfe zur Wehr gesetzt hatte, da unter anderem noch nicht rechtssicher geklärt ist, ob es sich dabei wirklich - zumindest teilweise - um illegale Windows-Datenträger handelt, regte Microsoft lediglich dazu an, den Ton nochmals zu verschärfen. In einem Blogeintrag legte die Microsoft-Justitiarin Dr. Swantje Richters nach: »Doch trotz dieses gerichtlichen Verbots und trotz des laufenden Strafverfahrens verkauft die TYR Holding nach wie vor gefälschte Windows Datenträger über den Webshop softwarebilliger.de. So sind seit der Zustellung der gerichtlichen Verfügung zahlreiche weitere gefälschte Datenträger beim Microsoft PID eingegangen, die TYR Holding verkauft hat«.

Auch die unabhängigen Beobachter wurden dabei von der Justitiarin gleich mit abgewatscht: »Manche Kommentatoren, die TYR Holding verteidigen und behaupten, softwarebilliger.de würde nur Originale verkaufen, verwechseln den Fall gegen softwarebilliger.de mit einem anderen Verfahren, das Microsoft kürzlich gegen einen anderen Händler geführt hat«. Wie die Hamburger Entscheidung nun deutlich zeigt, ist es auch für sie selbst offenbar nicht ganz leicht, bei diesen vielen juristischen Verwirr-Spielchen den Überblick zubehalten. Vorerst sieht sich also nach den jüngsten Rückschlägen wieder Ewaldt bestätigt und bedankt sich für die kritische Rückendeckung angesichts der offensichtlich verfrühten Vorwürfe seitens Microsoft: »Vielen Dank an dieser Stelle auch an die crn.de, die Microsofts nun untersagte Warnungen als eine der wenigen Zeitungen von Anfang an sehr kritisch aufgenommen und uns den Rücken gestärkt hat.«

Doch wer glaubt, damit würde vorerst wieder Ruhe einkehren in den Gebrauchtsoftwaremarkt, der dürfte sich gewaltig geirrt haben. Denn während Microsoft munter weiter Abmahnungen an Händler schickt, die mit gebrauchten Recovery-Datenträgern handeln, spielt sich im Hintergrund ein abstruser Streit um mehrere hunderttausend solcher Windows-Datenträger ab. Ein Grossteil dieser beanstandeten Ware war nach unseren Erkenntnissen ursprünglich vom OEM-Partner HP bei der Schweizer Adcom (nach-)bestellt worden, die sie wiederum bei ihrer gerade erst übernommenen Tochter OMD International pressen ließ. HP lieferte die Scheiben anschließend an den Händler PC4U, der sie zusammen mit gebrauchten Geräten und deren COAs an diverse Gebrauchtsoftwarehändler weiterverkaufte.

Nachdem es einige Jahre lang keine Probleme mit besagten Datenträgern gegeben hatte, wurden in den letzten Monaten immer wieder Datenträger aus dieser Produktion, die von Gebrauchtsoftwarehändlern weiterverkauft worden waren, vom Microsoft-PID-Dienst als Fälschungen identifiziert. Zunächst berief man sich dabei laut den Händlern auf falsche, beziehungsweise fehlende IFPI-Codes. Inzwischen heißt es jedoch, die Recovery-Discs seien nur unter falschem Vorwand als Recovery-Nachbestellungen für gebraucht verkaufte Hardware ohne Datenträger, und nochdazu in einem nicht von Microsoft autorisierten Presswerk, hergestellt worden. Damit hätte auch HP als OEM-Partner und Lizenzgeber nach Microsofts dafürhalten die Datenträger für PC4U wahrscheinlich gar nicht erst produzieren lassen dürfen, geschweige denn bei Adcom. Adcom selbst gibt hingegen auf seiner Internetseite unter anderem Microsoft als Referenzkunden an.

HP wollte sich zu den Datenträgern und ihrer umstrittenen Herkunft bisher gegenüber unserer Redaktion nicht äußern. Uns liegen allerdings mehrere Schriftstücke vor, in denen HP-Mitarbeiter in der Vergangenheit offensichtlich gegenüber den Händlern die Echtheit der CDs bestätigt haben. Wie crn.de darüber hinaus erfuhr, befinden sich Microsoft und HP derzeit auf internationaler Ebene in Gesprächen, wie mit dem Fall umgegangen werden soll. Somit zieht der aktuelle Gebrauchtsoftwarestreit immer größere Kreise. Sind die Datenträger keine Fälschungen, muss man sich wundern, wieso Microsoft sie als »eindeutige Fälschungen« identifiziert haben will und beschlagnahmen lässt. Sollte es sich jedoch tatsächlich um Fälschungen handeln, ist wiederum die Frage zu stellen, wie es HP passieren konnte, dass im eigenen Auftrag und Namen mehrere hunderttausend solcher Datenträger produziert wurden.

Microsoft weist allerdings darauf hin, dass bei softwarebilliger.de auch andere Datenträger als Fälschungen identifiziert worden seien, die nicht aus dem HP-Los von der Adcom stammen. Eine Entscheidung, die nun juristisch ausgefochten wird. So oder so könnten einige hunderttausend strittige Datenträger auf ein Problem auf ganz tieferer Ebene als bei der TYR als letztem Glied in der Kette der Softwarehändler hinweisen. Denn wie soll der Händler wissen, ob es sich um gefälschte Ware handelt, wenn selbst der Hersteller und der Urheber sich bisher nicht einig sind, ob es sich um Fälschungen handelt.

»Sowieso war es für mich immer unverständlich, warum Microsoft zu solchen Mitteln greifen musste, obwohl ich stets versucht habe, etwaige Probleme direkt mit den Verantwortlichen im Gespräch zu klären. Ich habe Microsoft sogar selbst mehrfach auf Raubkopien hingewiesen, wenn ich beim einkaufen gebrauchter Software darauf gestoßen bin. Auch habe ich mehrfach Datenträger zur Echtheitsprüfung eingeschickt. Leider stets mit dem Ergebnis, dass selbst eindeutig originale Datenträger einfach einbehalten wurden. Dabei wurde mir jedoch nie mitgeteilt, was genau an den Datenträgern beanstandet wurde«, so Ewaldt, der nun neue Hoffnung schöpft, sich mit seinem Geschäftsmodell durchzusetzen. »Microsoft versucht mit allen juristischen Mitteln, die der Konzern zur Verfügung hat, den fairen und legalen Handel mit gebrauchter Original-Software zu unterbinden. Es ist ein Kampf David gegen Goliath. Aber am Ende wird sich das Recht durchsetzen und das steht auf der Seite von www.softwarebilliger.de«.

Auch grundsätzlich ist weiterhin nicht entschieden, ob und wie der Gebrauchtsoftwarehandel künftig funktionieren kann. Zwar schrieb die Microsoft-Juristin im inzwischen gelöschten Blog-Eintrag der BGH habe »in der Tat entschieden, dass der Verkauf von echten, gebrauchten Sicherungsdatenträgern zusammen mit Echtheitszertifikaten unzulässig ist, die zuvor von Computern abgelöst worden sind«. Dies ist eine eher weitgehende Auslegung des Urteils, das sich eigentlich lediglich markenrechtlich mit der (vom Gericht als unzulässig angesehenen) willkürlichen Bündelung von gebrauchter COA und entsprechendem Datenträger. Der Wiederverkauf von Recovery-Datenträgern ist hingegen laut BGH (Az.: I ZR 6/10) urheberrechtlich grundsätzlich durchaus rechtens.

Auch die unabhängigen Beobachter wurden dabei von der Justitiarin gleich mit abgewatscht: »Manche Kommentatoren, die TYR Holding verteidigen und behaupten, softwarebilliger.de würde nur Originale verkaufen, verwechseln den Fall gegen softwarebilliger.de mit einem anderen Verfahren, das Microsoft kürzlich gegen einen anderen Händler geführt hat«. Wie die Hamburger Entscheidung nun deutlich zeigt, ist es auch für sie selbst offenbar nicht ganz leicht, bei diesen vielen juristischen Verwirr-Spielchen den Überblick zubehalten. Vorerst sieht sich also nach den jüngsten Rückschlägen wieder Ewaldt bestätigt und bedankt sich für die kritische Rückendeckung angesichts der offensichtlich verfrühten Vorwürfe seitens Microsoft: »Vielen Dank an dieser Stelle auch an die crn.de, die Microsofts nun untersagte Warnungen als eine der wenigen Zeitungen von Anfang an sehr kritisch aufgenommen und uns den Rücken gestärkt hat.«